Ein Netzwerk leistet „Hilfe zur Selbsthilfe“

Rotary-Club Recklinghausen Haard begleitet Projekte in Tansania

Was gehört zu einer nachhaltigen Entwicklungshilfe? Manch einer würde Bildung und den Bau von Schulen als vorrangige Aufgaben nennen. Für andere wiederum steht eine effiziente Gesundheitsversorgung ganz oben auf der Prioritätenliste. Und wieder andere würden als Erstes den Zugang der Bevölkerung zu sauberem Trinkwasser als wichtigste Herausforderung ansehen. Doch was ist eigentlich, wenn sich eine Organisation gleich aller drei Aufgaben annimmt? Also sich um Bildung und Wasser und Gesundheit kümmert? Dann kann man wohl von einem Lehrstück in Sachen Aufbauhilfe sprechen. Deren Protagonisten: die Mitglieder des Rotary-Club Recklinghausen Haard. Ihre erfolgreiche Arbeit in Sachen „Hilfe zur Selbsthilfe“ basiert auf ihrer guten Vernetzung – hier in Deutschland und inzwischen auch in Tansania. Doch der Reihe nach.

Am Anfang der Partnerschaft stand eine Begegnung: Während seines Aufenthaltes in der Diözese Mbinga im Süden Tansanias begegnete Dr. Werner Jax, Mitglied des Rotary-Clubs Recklinghausen Haard und ehemaliger Chefarzt der Inneren Abteilung im Marien-Hospital Marl, Bischof Emanuel Mapunda. „Er bat mich um Unterstützung für das Diözesan-Krankenhaus in Litembo, das rund 40.000 Afrikaner versorgt und vor dem organisatorischen Zusammenbruch stand“, erzählt Jax. Eine deutsche Ärztin hatte das Krankenhaus aufgebaut und überregional bekannt gemacht. Leider gab es nach ihrer Verabschiedung im Jahre 1996 keinen adäquaten Ersatz. Eine Schließung des Hauses hätte jedoch für viele Menschen das sichere Todesurteil bedeutet, weil das nächste Krankenhaus rund 125 Kilometer entfernt liegt. Viele Krankheitsbilder wie Malaria, lebensgefährliche Durchfallerkrankungen, Unterernährung oder AIDS lassen jedoch keine Zeit für aufwändige Reisen.

Wieder nach Deutschland zurückgekehrt, hatte Jax keine Mühe, seine Freunde im Rotaryclub davon zu überzeugen, das Hospital in Tansania zu unterstützen. Auch der katholische Träger des Krankenhauses, in dem er bis zu seiner Pensionierung tätig war, sicherte Hilfe zu. Eine überaus erfolgreiche Vernetzung begann: Heute ist das afrikanische Krankenhaus auch dank finanzieller Unterstützung des Hilfswerks Miserior und weiterer Partner baulich und technisch erneuert. Verschiedene Ärzte konnten eingestellt werden, und mehrere Container mit medizinischen Geräten wurden von Deutschland nach Tansania verschifft. „Das allein reicht jedoch nicht. Man muss auch sicherstellen, dass die Tansanier das moderne Equipment anwenden können. Die beste Ausstattung nützt ja nichts, wenn keiner weiß, wie sie funktioniert“, erläutert Jax. Um dies zu gewährleisten, brechen seit einigen Jahren regelmäßig Ärzte, aber auch Medizintechniker der Gerätehersteller auf, um die Mitarbeiter in dem afrikanischen Land im Umgang mit modernen Behandlungsmethoden und den Geräten aus Deutschland zu schulen. Das hört sich alles einfach an, ist jedoch vor allem das Verdienst einer exzellenten Vernetzung und vor allem einer großen Hilfsbereitschaft. Da gab es Arztpraxen und Krankenhäuser, die bereitwillig medizinische Geräte spendeten. Und es gab Ärzte, Krankenschwestern und Medizintechniker, die sogar einen Teil ihres Urlaubs opferten, um zur Schulung nach Tansania zu reisen. Und nicht zuletzt glückte dank bester Kontakte eine logistische Meisterleistung, nämlich einen Container mit wertvollem medizinischen Gerät sicher zu Lande und zu Wasser an seinen Bestimmungsort zu transportieren.

Während das Krankenhaus in Litembo heute wieder eine gute medizinische Versorgung anbieten kann und einen hervorragenden Ruf genießt, lag die Gesundheitsversorgung in der benachbarten Kleinstadt Lituhi mit rund 6.000 Einwohnern  brach. Im Gesundheitszentrum fehlte es an vielem – vor allem an den Voraussetzungen einer medizinischen Versorgung, nämlich Strom und Wasser. Diese prekäre Situation verbesserte sich erst, als ein vom Rotary-Club gesponserter Strom-Generator per Container nach Tansania gelangte. Damit kann inzwischen Energie erzeugt werden. Doch die Trinkwasserversorgung war nach wie vor ein Problem. „Sauberes Wasser ist die Voraussetzung für medizinische Hilfe. In Lituhi beispielweise schöpften die Menschen das Wasser aus einem mit Koli-Bakterien verseuchten Brunnen und aus verunreinigten Flüssen. Die Menschen litten unter Durchfall“, erzählt Rüdiger Florin, ebenfalls Mitglied im Rotary-Club Recklinghausen Haard. Also machte er es sich zu seiner Aufgabe, vor Ort die organisatorischen Weichen für sauberes Trinkwasser zu stellen. Dazu führte er Gespräche mit Vertretern der Diözese und staatlichen Stellen im Verwaltungsdistrikt. Mit Erfolg: Man schloss eine Wasserquelle an eine funktionierende Pipeline an, die das Wasser auch filtriert. Die anschließend gebauten Wasserreservoirs versorgen nicht nur das Gesundheitszentrum, sondern auch  die Menschen in Lituhi mit sauberem Trinkwasser. „Der Erfolg dieses Projektes ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass von Anfang an alle Beteiligten eingebunden waren. Wir Rotarier stellen die finanziellen Mittel zur Verfügung. Für die Durchführung des Projekts, für Betrieb, Nutzung und Wartung der Anlagen sind jedoch die Tansanier selbst verantwortlich“, so Florin.

Inzwischen sind auch andere Organisationen auf die Entwicklungen in der kleinen Gemeinde Lituhi aufmerksam geworden. Die bekannteste darunter ist die RTL-Stiftung. Gemeinsam mit der action medeor e.V. und der Katholischen Diözese von Mbinga widmet sie sich vor Ort der Malaria-Prävention und der Malaria-Behandlung von Kindern und ihren Müttern sowie von schwangeren Frauen. Malaria ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen in Tansania: Über 80.000 Kinder unter fünf Jahren sterben hier jährlich daran. Um die Krankheit effektiv zu bekämpfen, investierte die Stiftung in die Instandsetzung eines Gesundheitszentrums und baute es zu einem kleinen Krankenhaus mit einer eigenen Kinder- und Malariaabteilung aus. Parallel dazu rief man ein umfassendes Malaria-Aufklärungsprogramm in den angrenzenden Gemeinden ins Leben.

Zurück zu den Rotariern: Sie arbeiten zurzeit mit Hochdruck an dem dritten Baustein ihrer „Hilfe zur Selbsthilfe“: der Bildung. In Planung ist eine Highschool für Naturwissenschaften in Litembo. Klassenräume und Laborräume sind bereits vorhanden, auch zwei Lehrer stehen zur Verfügung. „Wir benötigen noch einen weiteren Lehrer für Biologie und vor allem eine Ausstattung für unsere Labore in den Fächern Physik, Chemie und Biologie“, sagt Florin. Und Jax ergänzt: „Wir haben jetzt eine solide medizinische Versorgung aufgebaut. Um sie dauerhaft abzusichern, brauchen wir auch einen gut geschulten naturwissenschaftlichen Nachwuchs. Und ein attraktives Schulangebot wird sicher auch dazu beitragen, noch mehr Mediziner und ihre Familien an unsere Region zu binden.“

Man darf sicher sein, dass das vernetzte Engagement der Rotarier auch auf diesem Gebiet schon bald Früchte tragen wird.